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Ivasyk Telesyk

Es war einmal…

ein altes Ehepaar, das sich schon immer ein Kind gewünscht hatte.

Eines Tages sprach die Frau zu ihrem Mann:

Lieber Mann, geh‘ doch in den Wald und bring‘ mir ein Holzscheit, sodass ich es in eine Wiege legen und in den Schlaf wiegen kann. Das könnte mich trösten. Willst du das für mich tun?

So brachte der Mann seiner Frau ein Holzscheit. Die alte Frau begann dem Holzscheit ein Schlaflied zu singen, als ob es ihr Kind wäre. Sie sang zu ihm bis tief in die Nacht. Schließlich ging das alte Ehepaar zu Bett.

Am nächsten Morgen, als das Ehepaar erwachte, entdeckte es einen kleinen Jungen in der Wiege, dort, wo zuvor das Holzscheit gelegen hatte. Sie nannten ihn Ivasyk Telesyk.

Als Ivasyk ein wenig größer geworden war, bat er seinen Vater, ihm ein kleines goldenes Boot mit einem silbernen Ruder zu bauen. Mit seinem Bötchen fuhr er von nun an zum Angeln auf den See hinaus und brachte alle Tage genug Fisch heim, sodass sie alle davon satt wurden.

Die Mutter sprach zu Ivasyk:

Wenn du mich rufen hörst, komm‘ zurück zum Ufer, aber hörst du einen Fremden, dann bleibe ihm fern.

Die Mutter rief:

Ivasyk Telesyk, mein Lieber,
ruder‘ mit deinem Bötchen herüber!
Ich bringe dir ein leckeres Mahl!

Ivasyk frohlockte:

Es ist meine Mutter, sie bringt mir mein Frühstück, und steuerte sein Boot zurück ans Ufer. Er aß sich satt und kehrte dann wieder auf den See zurück, um weiter zu angeln.

Ganz in der Nähe aber lauerte eine Schlange, die mit angehört hatte, was Ivasyks Mutter gerufen hatte. Listig versuchte sie Ivasyk zu täuschen und rief mit ihrer tiefen Stimme:

Ivasyk Telesyk, mein Lieber,
ruder‘ mit deinem Bötchen herüber!
Ich bringe dir ein leckeres Mahl!

Doch Ivasyk dachte bei sich:

Das ist nicht die Stimme meiner Mutter, und ruderte davon.

Die Schlange suchte den schwarzen Schmied und bat ihn, ihr eine kleine, hohe Stimme zu schmieden. Eine Stimme, die klingen sollte wie die von Ivasyks Mutter. Und der schwarze Schmied war einverstanden.Die Schlange kehrte zum Ufer zurück und rief erneut nach Ivasyk – aber dieses Mal mit ihrer neuen Stimme:

Ivasyk Telesyk, mein Lieber,
ruder‘ mit deinem Bötchen herüber!
Ich bringe dir ein leckeres Mahl!

Ivasyk fiel auf die List herein und dachte:

Das ist meine Mutter, sie bringt mir das Mittagessen, und er ruderte sein Boot zurück ans Ufer. Die Schlange schnappte sich Ivasyk und schleifte ihr zu sich nach Hause.

Dort angekommen rief sie: Olenka, meine kleine Schlangentochter, heize den Ofen ein und brate diesen Jungen gut durch. Ich werde die Gäste einladen – wir werden ein wahres Festmahl haben.

Und Olenka heizte den Ofen ein.

Ivasyk Telesyk, setz‘ dich auf die Ofenschaufel, befahl Olenka, als der Ofen heiß genug war. Doch Ivasyk stellte sich dumm: So etwa?, fragte er und legte eine Hand auf die Ofenschaufel.

Nein – nicht nur deine Hand!, fauchte Olenka. Ivasyk legte seinen Kopf auf die Ofenschaufel: Etwa so?, fragte er.

Nein, nein, nicht so!, schrie Olenka wütend. Ich verstehe es nicht, gab Ivasyk vor, zeig‘ mir, wie es geht.

Doch sobald Olenka sich auf die Ofenschaufel gesetzt hatte, riss Ivasyk den Griff an sich und schob sie in den Ofen. Schnell schloss er die Ofentür, rannte aus dem Haus und versteckte sich in den Zweigen eines hohen Baumes.

Die Schlange kehrte mit ihren Gästen zum Haus zurück:

Olenka, wir sind zurück, öffne die Tür!

Als niemand antwortete, zischte die Schlange ärgerlich und stieß die Tür auf. Die Schlangen krochen hinein, nahmen den Braten aus dem Ofen und aßen gierig.

Als sie alles aufgegessen hatten, schlängelten sie sich wieder hinaus und rollten sich zufireden und satt im Gras hin und her:

Was für ein leckeres Mahl das war. Ivasyks Fleisch war ein feiner Happen.

Ivasyk, der dies hörte, rief von seinem Baum herunter:

Rollt euch nur im Gras hin und her, meine Freunde,
seid froh, dass es euch schmeckte,
doch es war nicht ich, sondern Olenka,
die in dem Ofen steckte.

Die Schlangen erspähten Ivasyk auf dem Baum. Rasend vor Wut schnellten sie heran und begannen mit ihren messerscharfen Zähnen an dem Stamm zu nagen. Der Baum begann zu schwanken. Da sah Ivasyk einen Schwarm weißer Schwäne über seinen Kopf hinwegziehen und rief aus vollem Halse:

Meine Schwäne, meine Schwäne, meine schönen Schwäne!
Ich bitte euch, breitet die Flügel aus
und tragt mich auf euren Schwingen nach Haus‘!
Meine Eltern werden sich dankbar erweisen,
euch wärmen, euch füttern, willkommen euch heißen.

Doch die Schwäne flogen weiter, ohne Ivasyk zu bemerken.

Ein weiterer Schwarm weißer Schwäne flog vorüber und wieder rief Ivasyk:

Meine Schwäne, meine Schwäne, meine schönen Schwäne!
Ich bitte euch, breitet die Flügel aus
und tragt mich auf euren Schwingen nach Haus‘!
Meine Eltern werden sich dankbar erweisen,
euch wärmen, euch füttern, willkommen euch heißen.

Doch auch dieses Mal blieben Ivasyks Rufe unerhört. Der Baum stand kurz davor, umzustürzen, da folg ein einzelner, kleiner weißer Schwan heran, der zu langsam gewesen war, um mit den anderen mitzuhalten. Ivasyk schrie noch einmal aus Leibeskräften:

Mein Schwänlein, mein Schwänlein, mein kleines Schwänlein!
Ich bitte dich, breite deine Flügel aus
und trage mich auf deinen Schwingen nach Haus‘!
Meine Eltern werden sich dankbar erweisen,
dich wärmen, dich füttern und willkommen dich heißen.

Und der kleine Schwan hob Ivasyk auf seinen Rücken und trug ihn den ganzen Weg bis nach Hause.

Ivasyks Mutter entdeckte den Schwan draußen im Garten und rief zu ihrem Mann:

Schau, da ist ein Schwan, wir wollen ihn fangen und uns einen schönen Braten aus ihm bereiten. Da hörte sie Ivasyk rufen:

Nein, Mutter, das dürft ihr nicht! Er rettete mir das Leben! Ihr dürft ihn nicht braten – ihr müsst ihm danken!

Und so fütterten sie den Schwan und gaben ihm Hirse unter die Flügel als Wegzehrung auf seiner Reise. Und der kleine Schwan flog wieder davon.

 

 

 

 

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