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Rumpelstilzchen
Es war einmal…
...ein Müller, der war arm, aber er hatte eine liebe und schöne Tochter.
Es kam ein Jahr – die Ernte war schlecht gewesen – da konnte der Müller sein Mehl kaum mahlen und auch keine Abgaben entrichten. Er ging hin zum König, um vorzusprechen. Der König aber war kaltherzig und gierig und hatte kein Erbarmen. Er verlangte den geschuldeten Zehnten. In seiner Not wusste sich der Müller nicht weiter zu helfen und sprach zum König: Ich kann den Zehnten nicht leisten, sonst muss ich verhungern, aber ich habe eine Tochter, die kann Stroh zu Gold spinnen!
Das gefiel dem König und er befahl dem Müller, seine Tochter am nächsten Morgen zu ihm zu führen, sodass er sie auf die Probe stellen könne.
Als das Mädchen am nächsten Tage vor den König hintrat, führte er es in eine Kammer, die ganz voll Stroh war, gab ihm ein Spinnrad und leere Spindeln und sprach: Jetzt mache dich an die Arbeit. Und wenn du bis morgen früh dieses Stroh nicht zu Gold versponnen hast, so sollst du sterben.
Darauf schloss er die Kammer zu und ließ das Mädchen darin allein.
Da saß nun die arme Müllerstochter und war verzweifelt, denn sie wusste nicht, wie man Stroh zu Gold spann. Ihre Angst wurde immer größer und so fing sie an bitterlich zu weinen. Da ging auf einmal die Türe auf und ein kleines Männlein trat zu ihr in die Kammer. Es sprach zu ihr: Guten Abend, Jungfer Müllerin, warum weinst du so sehr?
Ach, schluchzte das Mädchen, ich soll Stroh zu Gold spinnen und weiß nicht, wie ich’s anfangen soll.
Da sprach das Männlein: Was gibst du mir, wenn ich es für dich tue?
Mein Halsband, sagte das Mädchen. Sie gab dem Männlein ihr Halsband.
Darauf setzte es sich an das Spinnrad und schnurr, schnurr, schnurr, dreimal gezogen, war die Spule voll. Gleich steckte es die nächste auf und schnurr, schnurr, schnurr, dreimal gezogen, war auch die zweite Spule voll. Und so ging es immerfort bis zum Morgen, da war alles Stroh versponnen und alle Spulen waren voll Gold.
Als bei Sonnenaufgang der König in die Kammer trat und das Gold erblickte, staunte er und freute sich, aber sein Herz wurde nur noch gieriger. Er ließ die arme Müllerstochter in eine weitere Kammer voll Stroh bringen, die noch viel größer war als die erste und befahl ihr, auch dieses Stroh in einer Nacht zu Gold zu spinnen, wenn ihr ihr Leben lieb wäre.
Als der König gegangen war und das Mädchen nun wieder allein in einer Kammer saß, fing es erneut fürchterlich an zu weinen. Da ging abermals die Tür auf, das Männlein trat hinein und sprach zu ihr: Was gibst du mir, wenn ich dir das Stroh zu Gold spinne?
Meinen Ring von meinem Finger, versprach das Mädchen.
Das Männchen nickte, nahm den Ring und ließ wieder das Spinnrad schnurren, bis schließlich am Morgen alles Stroh zu Gold versponnen war.
Der König freute sich über alle Maßen bei dem Anblick und war noch immer nicht des Goldes satt, sondern ließ die Müllerstochter in eine noch größere Kammer voll Stroh bringen. Er sprach zu ihr: Wenn es dir gelingt, auch dieses Stroh in einer Nacht zu verspinnen, so sollst du dein Leben behalten und meine Gemahlin werden. Denn, so dachte er bei sich, eine reichere Frau kannst du auf der Welt nicht haben.
Darauf ließ er das Mädchen allein.
Die Müllerstochter war untröstlich, denn sie wollte nicht die Frau des schrecklichen Königs werden, aber noch weniger wollte sie sterben, so fing sie wieder an zu weinen und wollte gar nicht mehr aufhören. Da kam das Männlein zum dritten Male und sprach: Was gibst du mir, wenn ich dir auch dieses Mal noch das Stroh zu Gold spinne?
Ach, ich habe nichts mehr, was ich dir geben könnte, schluchzte das Mädchen.
So versprich mir, wenn du Königin wirst, dein erstes Kind, verlangte das Männlein.
In seiner Angst und weil das Mädchen nichts von der Liebe einer Mutter zu ihrem Kinde wusste, gab es dem Männlein sein Versprechen.
Und so spann das Männlein auch noch zum dritten Male alles Stroh zu Gold.
Als am Morgen der König in die Kammer kam und alles fand, wie er es gewünscht hatte, hielt er Hochzeit mit der Müllerstochter und sie wurde Königin.
Als ein Jahr vergangen war, brachte sie ihr erstes Kind zur Welt und dachte nicht mehr an das Versprechen, das sie dem Männlein gegeben hatte.
Da trat das Männlein plötzlich in ihr Zimmer und sprach: Nun gib mir, was du mir versprochen hast!
Die junge Königin erschrak und bot dem Männlein alle Reichtümer des Königreiches an, wenn er ihr nur das Kind lassen wollte, aber das Männlein schüttelte den Kopf.
Nein, etwas Lebendes ist mir lieber als alle Schätze dieser Welt, erwiderte das Männlein.
Da fing die Königin an zu weinen und zu klagen, sodass das Männlein Mitleid mit ihm bekam und sprach: Drei Tage will ich dir Zeit lassen, wenn du bis dahin meinen Namen weißt, so sollst du dein Kind behalten.
Nun brachte die Königin Tag und Nacht damit zu, sich aller Namen zu entsinnen, die sie jemals gehört hatte und schickte überdies noch einen Boten los, der sich weit und breit nach neuen Namen erkundigen sollte.
Als am nächsten Tag das Männlein zu ihr kam, fing sie an, ihm alle Namen zu nennen, die ihr eingefallen waren: Caspar, Melchior, Balzer und viele, viele mehr. Aber bei jedem Namen den sie nannte, sprach das Männlein:
Nein, so heiße ich nicht.
Am zweiten Tage ließ sie wieder überall bei den Leuten herumfragen und nannte dem Männlein, als es zu ihr trat die ungewöhnlichsten und seltsamsten Namen, die man sich nur vorstellen konnte: Rippenbiest, Hammelswade, Schnürbein und so fort. Aber es blieb dabei:
Nein, so heiße ich nicht.
Am dritten Tage kam der Bote zurück und berichtete: Neue Namen habe ich nicht finden können, aber wie ich an einen hohen Berg mitten im Walde kam, wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen, da sah ich an dessen Fuße, auf einer Lichtung ein kleines Feuer brennen. Um das Feuer sprang ein kleines Männlein, das hüpfte auf einem Bein und schrie:
Heute back‘ ich, morgen brau‘ ich,
übermorgen hol‘ ich der Königin ihr Kind;
Ach, wie gut, dass niemand weiß,
dass ich Rumpelstilzchen heiß‘!
Da war die Königin überglücklich, denn sie erkannte in der Erzählung das Männlein wieder und wusste nun seinen Namen.
Als bald hernach das Männlein zu ihr trat und fragte: Nun, Frau Königin, wie heiße ich?
Da fragte sie erst: Heißt du Kunz?
Nein, so heiße ich nicht, lachte das Männlein.
Heißt du Heinz?
Nein, so heiße ich nicht, kicherte das Männlein abermals.
Dann heißt du etwa – Rumpelstilzchen?! Rief die Königin.
Das hat dir der Teufel gesagt, das hat dir der Teufel gesagt, schrie das Männlein und stieß voll Zorn den rechten Fuß so tief in die Erde, dass er im Boden stecken blieb.
Da packte es vor lauter Wut den linken Fuß mit beiden Händen und zog so fest daran, dass es sich selbst mitten entzweiriss.
