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Frau Holle

Es war einmal…

...eine Frau, deren Mann gestorben war, die hatte zwei Töchter. Die eine war gut und fleißig, die andere schlecht und faul. Der Frau war jedoch die schlechte und faule Tochter lieber, da es ihre leibliche war und so musste die gute und fleißige Tochter alle Arbeit allein tun. Sie musste sich jeden Tag auf die Straße neben einen Brunnen setzen und spinnen, bis ihr die Finger bluteten. Als davon einmal die Spule ganz blutig war, beugte sie sich über den Brunnen, um sie auszuwaschen, dabei fiel sie ihr jedoch aus der Hand und in den Brunnen hinab.

 

Als sie ihrer Stiefmutter davon erzählte, wurde diese furchtbar wütend und sprach kalt zu ihr:

 

Hast du die Spule hinunterfallen lassen, so hol‘ sie auch wieder heraus!

 

Da ging das arme Mädchen zum Brunnen zurück und wusste nicht was es tun sollte. In seiner Verzweiflung sprang es kurzerhand in den Brunnen hinab um die Spule zu holen. Der Brunnen war tief und im Fallen verlor es das Bewusstsein.

 

Als das Mädchen wieder zu sich kam, lag es auf einer wunderschönen sonnigen Blumenwiese. Langsam stand es auf und schaute sich um, da erblickte es in der Ferne einen großen steinernen Backofen. Es lief auf den Backofen zu und als es schließlich vor ihm stand, so war der Ofen voller Brot. Das Brot rief dem Mädchen zu:

 

Ach, zieh‘ mich raus, zieh‘ mich raus, sonst verbrenne ich – ich bin schon längst ausgebacken!

 

Da nahm sich das gute Mädchen den Brotschieber und holte einen Laib Brot nach dem anderen aus dem Ofen heraus. Als es damit fertig war, klopfte es sich die Hände an seiner Schürze ab und ging weiter.

 

Nach einer Weile kam das Mädchen an einen Baum, der hing voller Äpfel und sprach zu ihm:

 

Ach, schüttel‘ mich, schüttel‘ mich – meine Äpfel sind alle miteinander reif!

 

Da schüttelte das Mädchen den Baum, bis alle Äpfel heruntergefallen waren. Sorgfältig legte es die Äpfel zu einem großen Haufen zusammen und ging dann wieder weiter.

 

Endlich kam es zu einem kleinen Haus. Aus einem Fenster unter dem Dach schaute eine alte strenge Frau hervor. Das Mädchen zögerte und wollte wieder umkehren, doch die Frau rief ihm zu:

 

Fürchte dich nicht liebes Kind! Bleib‘ bei mir! Wenn du alle Arbeit im Haus ordentlich tun willst, so soll es dir gut gehen. Du musst nur Acht geben, dass du mein Bett gut machst und es fleißig aufschüttelst, dass die Federn fliegen, dann schneit es in der Welt – ich bin die Frau Holle!

 

Da fasste sich das Mädchen ein Herz und willigte ein.

 

Das Mädchen machte alle Arbeit, die ihm aufgetragen wurde gewissenhaft und ordentlich – sie schüttelte das Bett auf, dass die Federn flogen und Frau Holle war sehr zufrieden mit ihr. Dafür hatte es das Mädchen wirklich gut, sie bekam jeden Tag leckeres Essen und die alte Frau war sehr freundlich.

 

Doch nach einer Zeit bekam das Mädchen schlimmes Heimweh und fragte Frau Holle, ob sie wieder nach Hause gehen dürfe, es ginge ihr zwar bei ihr viel besser, als es ihr je gegangen sei, aber sie verspüre doch eine quälende Sehnsucht nach ihrem Zuhause. Frau Holle sprach:

 

Es freut mich, das zu hören, und weil du mir so fleißig gedient hast, will ich dich selbst wieder hinaufbringen.

 

Sie nahm das Mädchen bei der Hand und führte es vor ein großes Tor. Das Tor öffnete sich und als das Mädchen darunter hindurchtrat, fiel plötzlich ein gewaltiger Goldregen über ihm herab. Das Gold blieb an ihm hängen, sodass es über und über damit bedeckt wurde.

 

Das sollst du haben, weil du so fleißig gewesen bist, sprach Frau Holle und gab dem Mädchen auch die Spule wieder, die ihm in den Brunnen hinabgefallen war. Darauf schloss sich das Tor wieder und das Mädchen befand sich wieder neben dem Brunnen auf der Straße.

 

Als das Mädchen nach Hause kam, so über und über mit Gold bedeckt, krähte der Hahn vom Dachfirst:

 

Kikeriki, unsere Goldmarie ist wieder hie‘!

 

Die Stiefmutter und des Mädchens faule Schwester freuten sich und nahmen sie wegen des vielen Goldes gerne wieder bei sich auf.

 

Als das Mädchen alles erzählt hatte, was ihm geschehen war, wollte die Stiefmutter auch ihrer anderen Tochter zu diesem Glück verhelfen und verlangte, diese solle sich auch einmal an den Brunnen setzen und spinnen.

 

Damit die Spule blutig wurde, stach sie sich in die Finger und griff mit der Hand in eine Dornenhecke, dann warf sie die Spule in den Brunnen hinab und sprang selbst hinterher.

 

Wie seine Schwester zuvor erwachte auch das schlechte und faule Mädchen auf der schönen Blumenwiese und schlug denselben Weg ein.

 

Als es zu dem Backofen gelangte, rief das Brot wieder:

 

Ach, zieh‘ mich raus! Zieh‘ mich raus! Sonst verbrenne ich – ich bin schon längst ausgebacken!

 

Die Faule aber antwortete: Soll ich mich etwa schmutzig machen? Und ging einfach weiter.

 

Bald darauf kam sie an den Apfelbaum, der rief:

 

Ach, schüttel‘ mich! Schüttel‘ mich! Meine Äpfel sind alle mit einander reif!

 

Die Faule aber sprach: Das hättest du wohl gerne? Es könnte mir einer auf den Kopf fallen! Und ging wieder einfach weiter.

 

Als sie vor Frau Holles Haus kam, fürchtete sie sich nicht und trug ihr sofort ihre Dienste an.

 

Am ersten Tag zwang sich die Faule alle Arbeit zu erledigen, die ihr aufgetragen wurde, denn sie dachte an das viele Gold, das sie zur Belohnung bekommen sollte.

 

Am zweiten Tag aber fing sie schon an, zu faulenzen. Am dritten noch mehr, da wollte sie morgens schon gar nicht mehr aufstehen. Sie machte auch Frau Holles Bett nicht ordentlich und schüttelte es nicht auf, bis die Federn flogen. Frau Holle war sehr unzufrieden mit ihren Diensten und entließ sie kurze Zeit später wieder nach Hause.

 

Die Faule war froh und dachte, nun würde der Goldregen auf sie warten.

 

Frau Holle führte auch sie zu dem großen Tor, das sich für sie öffnete. Doch als sie darunter hindurchgehen wollte, ergoss sich anstatt des Goldes ein großer Kessel voll Pech über sie.

 

Das ist der Lohn für deine Dienste, sprach Frau Holle und schloss das Tor.

 

Als das Mädchen nun wieder nach Hause kam, so über und über mit Pech bedeckt, krähte der Hahn vom Dachfirst:

 

Kikeriki, unsere Pechmarie ist wieder hie‘!

 

Und das Pech blieb fest an ihr kleben, solang sie lebte.

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